Internationale Tagung 2011 „Gibt es eine Ordnung im Universum?“

Der Kosmos zwischen Messung, Anschauung und religiöser Deutung – Erträge einer interdisziplinären Tagung

F. Vogelsang, H. Meisinger, Th. Moos: Gibt es eine Ordnung des Universums?

Bis zur Neuzeit: Sonne, Mond, Planeten, die Erde bildeten ein geordnetes Ganzes, den Kosmos
„Der Mensch tauscht mit Gott den Blick und Vernunft erkennt Vernunft“, so umriss im 3. Jahrhundert ein früher christlicher Autor, der Kirchenvater Laktanz, die Beziehung zwischen Mensch und Weltall. Für die Antike und noch bis zu Beginn der Neuzeit waren Sonne, Mond, Planeten und die Erde ein geordnetes Ganzes, das die göttliche Dimension einschloss. Die geordnete Gesamtheit bezeichneten sie folgerichtig als „Kosmos“, den griechischen Wort für Ordnung.

Seit Kopernikus: Das Bild des Universums hat an Größe gewonnen, an Anschaulichkeit verloren
Erst die Beobachtungen des Nikolaus Kopernikus Mitte des 16. Jahrhunderts markierten den Aufbruch aus der alten Ordnung. Seit der kopernikanischen Wende ist nicht mehr die Erde, sonder die Sonne Mittelpunkt des Planetensystems. Seither hat sich die Vorstellung einer geordneten Welt in den Naturwissenschaften noch viel stärker ausdifferenziert. Unser Bild vom Universum hat deutlich an Größe und Ausdehnung gewonnen, dafür an Anschaulichkeit verloren. Unser Sonnensystem ist nur ein winziger Teil einer Galaxis und diese Galaxis nur ein kleiner Ort im Universum.

Der Blick auf das Universum ist heute vielfältig
Die Naturwissenschaften finden zwar weiterhin ein gesetzmäßig strukturiertes Universum vor, die Art dieser Ordnung hat sich aber von der Newtonschen Physik über die Relativitäts- und Quantentheorie bis hin zur Chaostheorie stark gewandelt. Die Physik ist bis in kleinste Strukturen der Elementarteilchen vorgedrungen, derzeit wird das Higgs-Boson als kleinstes Teilchen diskutiert.

Auch die Religionen haben kaum je davon abgelassen, die Welt in ihrer Ordnung als Welt Gottes zu deuten. Anders verhält es sich in der Kunst: Dort wird die Ordnung der Welt, doch ebenso deren abgründige Unordnung zur Darstellung gebracht.

Akademietagung thematisiert die unterschiedlichen Sichtweisen
Diese unterschiedlichen Sichten auf den Kosmos, die geordnete Welt, standen im Juli 2011 im Mittelpunkt einer interdisziplinären Tagung an der Evangelischen Akademie im Rheinland:

Gibt es eine Ordnung des Universums?
Der Kosmos zwischen Messung, Anschauung und religiöser Deutung

Einführungsvortrag von Dr. Alexander Unzicker: „Vom Urknall zum Durchknall?“
Den Einführungsvortrag hielt der Münchener Physiker und Buchautor Dr. Alexander Unzicker. Der Vortrag knüpfte an sein 2010 erschienenes Buch an: „Vom Urknall zum Durchknall? Die absurde Jagd nach der Weltformel.“ Die Physik als Ganzes scheine sich in einer Krise zu befinden, die durch exzessives Sammeln von letztlich unverstandenen Daten gekennzeichnet ist, so Unzickers These. Grundlegende Fragen, wie sie etwa von Einstein, Schrödinger oder Dirac formuliert worden, gerieten demgegenüber zunehmend in Vergessenheit. Parallel dazu habe sich mit Entwürfen wie ‚Superstrings’ oder ‚kosmische Inflation’ eine Theorierichtung entwickelt, die sich jeder experimentellen Überprüfung entziehe und so von einer rationalen Naturbeschreibung Abstand nähme.

Professor Dirk Evers: Gott und die Ordnung der Natur
Gott und die Ordnung der Natur standen im Mittelpunkt des zweiten Vortrags. Der evangelische Theologie und Professor für Systematik an der Universität Halle-Wittenberg Dr. Dirk Evers fragte danach, welche Auswirkungen der heutige naturwissenschaftliche Forschungsstand über das Universum für Religion und Gottesbegriff hat.
Hinweis: Der Vortrag ist hier als Podcast nachzuhören.

Eine Tagung im Rahmen der ESSSAT-Reihe
Die Tagung setzte eine Reihe von interdisziplinären Tagungen fort, die alle zwei Jahre an der Akademie stattfinden. Ständige Kooperationspartener sind die European Society for the Study of Science and Theology (ESSSAT), die Forschungsstäte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) und das Evangelische Studienwerk Villigst. Diese Tagungen pflegen den Dialog zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie in besonderer Weise und geben Gelegenheit, Netzwerke zwischen Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften zu fördern und auszubauen.

Deshalb war der größte Teil der Tagung Workshops vorbehalten. Hier stellten die insgesamt 19 Referentinnen und Referenten aktuelle Forschungsprojekte vor und diskutierten sie mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Dabei ging es vor allem um die Veränderungen des Kosmos-Begriffes im Verlauf der Moderne und die sich daraus ergebenden Auswirkungen für Naturwissenschaften, Religion und Kunst. Die Referenten kamen aus unterschiedlichen Wissenschaftssparten: Biologen, Ökologen, Physiker sind ebenso darunter wie Philosophen und Theologen; die Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften waren je in gleicher Stärke vertreten.

Der Band ist ein weiterer Beitrag zum Dialog Theologie und Naturwissenschaften, einem Schwerpunkt an der Evangelischen Akademie im Rheinland. Die Herausgeber des Bandes haben ihn Professor Dr. Jürgen Hübner zum 80. Geburtstag gewidmet. Hübner, Biologe und Theologe, hat den Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften in Deutschland sowohl inhaltlich als auch institutionell maßgeblich mitgestaltet. Im vorliegenden Band ist er mit einem Aufsatz zu „Astronomie als Theologie der Schöpfung“ vertreten.

Bibliographische Angaben:
Frank Vogelsang, Hubert Meisinger, Thorsten Moos (Hg.)
Gibt es eine Ordnung des Universums?
Der Kosmos zwischen Messung, Anschauung und religiöser Deutung
(= Begegnungen 30)
Bonn: Evangelische Akademie im Rheinland 2012
ISBN 978-3-937621-38-8
18,00 Euro

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