mit Menschen

Kein Mensch lebt als eine einsame Insel. Menschen sind von Grund auf soziale Wesen und sind von Geburt aufeinander angewiesen. Darauf weisen jene philosophischen Reflexionen , die sich mit den leiblichen Bedingungen der menschlichen Existenz beschäftigen, aber auch viele erfahrungsgesättigte biblische Texte.

Und doch ist in unserer Zeit die Vorstellung populär geworden, jeder Mensch sei erst einmal und vor allem ein für sich selbst existierendes Individuum, das sich in einem zweiten Schritt auch mit anderen zusammentun kann. Eine Untersuchung unserer leiblichen Existenz kann zeigen, dass es gerade umgekehrt ist: Zunächst sind Menschen miteinander verbundene Wesen, die sich dann auch individualisieren können. Die Individualisierung ist eine wichtige kulturelle Errungenschaft, sie ist aber erst in den letzten 200 Jahren in der Breite der Bevölkerung in der westlichen Welt zur Geltung gekommen. Sie ist ein hohes Gut, für das sich jede und jeder einsetzen sollte, aber sie kann dennoch nicht zur Grundlage der menschlichen Existenz deklariert werden.

Wie sehr Menschen miteinander verbunden sind, erkennt man in den Situationen spontaner Solidarität. Die vielleicht berühmteste Erzählung dieser Solidarität ist die des barmherzigen Samariters (Lukas 10,29-37): Ein Mensch reist über das Land, sieht einen anderen verletzt am Wegesrand liegen. Obwohl der Verletzte einer anderen Kultur, Religion und Sprachgemeinschaft angehört, hilft er spontan, versorgt ihn, kümmert sich um seine weitere Versorgung. Das zeigt: Jeder Mensch kann sich mit jedem Menschen verbunden erleben, in den Worten Jesu: Jeder Mensch kann einem anderen Menschen der Nächste sein. Das zeugt von einer existentiellen Verbundenheit, die sehr grundlegend ist.

In der Menschheitsgeschichte haben sich Formen der Verbundenheit herausgebildet, die der spontanen Verbundenheit eine dauerhafte, aber auch beschränkte Form gaben, wie Stämme, Clans, Familien, Nationen, Vereine, Parteien, Religionsgemeinschaften usw.. Diese Formen änderten sich im Verlauf der Geschichte immer wieder und werden sich auch künftig ändern. Dennoch werden sie nicht einfach aufgelöst oder ersatzlos gestrichen werden können.

Deshalb stellt unsere individualistische Spätmoderne für die politische Entwicklung eine große Herausforderung dar. Der Ansatz sozialer Verbundenheit verbindet beides, die spontane Verbundenheit und die längerfristigen Formen der Verbundenheit und fragt nach zukünftigen Formen der Verbundenheit auch angesichts der digitalen Technologien. Mehr zum Thema „Soziale Verbundenheit

Soziale Verbundenheit ist kein behaglicher Zustand. Wenn Menschen nur in der Verbundenheit mit anderen ihre Identität erfahren, dann ist das auch ein Grund für Konflikte zwischen äußerer Identitätszuschreibung und eigener Identitätsbestimmung. Die menschliche Geschichte ist voller Konflikte, die von unterschiedlichen Interessen, aber auch von Achtung und Missachtung geprägt sind. Auch unsere Gegenwart ist von solchen Konflikten bestimmt. Politische Konflikte sind in der Geschichte unumgänglich. Eine der entscheidenden demokratischen Herausforderungen ist es, diese Konflikte konstruktiv und demokratisch zu gestalten. Mehr zum Thema „Aktuelle politische Krisen

Der Mensch hat als leibliches Wesen eine materiell-biologische Seite, die ihn ebenso ausmacht wie die geistige-ideelle Seite. Der menschliche Organismus ist insbesondere durch ein äußerst komplexes Gehirn ausgezeichnet, das seit einigen Jahrzehnten die Neurowissenschaften erfolgreich mit neuen bildgebenden Verfahren untersuchen. Ihre Erkenntnisse haben einen erheblichen Anteil an der neueren philosophischen Diskussion um die Bestimmung des Menschen. Keine Philosophin, kein Philosoph kann die Ergebnisse der Neurowissenschaften ignorieren, auch wenn sich aus deren Messergebnisse nicht notwendig eine bestimmte Philosophie ableiten lässt. Mehr zum Thema „Neurowissenschaften

Der menschliche Organismus wirft auch die Frage auf, ob es nicht möglich sein könnte, einen künstlichen Organismus zu schaffen, der zu einer ähnlichen Intelligenzleistung in der Lage ist. Die Diskussion um die künstliche Intelligenz ist schon alt, aber die Erfolge neuer Programmiertechniken lassen das lange nur fantastische Ziel einer menschenähnlichen künstlichen Intelligenz näher rücken. Auch schon jetzt aber sind die Technologien der Künstlichen Intelligenz mit übermenschlichen Fähigkeiten eine große ethische und gesellschaftliche Herausforderung, es entstehen Möglichkeiten zu einer nicht nachweisbaren Manipulation von Daten und zu einer Beherrschung gesellschaftlicher Prozesse. Mehr zum Thema „Künstliche Intelligenz“

Den menschlichen Organismus widmen sich auch medizinischer Techniken. Da die biologische und medizinische Forschung sehr schnell voranschreitet, werden in diesem Gebiet auch in Zukunft viele Fragen aufkommen, für die es gesellschaftliche Antworten braucht. Immer mehr menschliche Eigenschaften lassen sich durch operative Eingriffe verändern. Was ist möglich, wo sind die Grenzen? Eine aktuelle Diskussion ist das etwa bei den Möglichkeiten zum assistierten Suizid. Mehr zum Thema „Medizinethik“