Prof. Dr. Oliver Brüstle: Erwartungen an die Stammzellenforschung

Mensch

Neurobiologe: Rasche Therapieerfolge unrealistisch

Bonn (epd). Der Neurobiologe Oliver Brüstle hat Hoffnungen auf schnelle Behandlungserfolge durch Stammzellenforschung gedämpft. Es sei unrealistisch, rasche Therapien für eine Reihe von schweren Krankheiten zu erwarten, sagte der Wissenschaftler in Bonn. Krankheiten wie Schlaganfall seien zu komplex, um sie mit einer Transplantation von Stammzellen in absehbarer Zeit zu behandeln. Darüber hinaus sei es ein Missverständnis, dass künftig ganze Organe gezüchtet werden könnten, sagte Brüstle bei einer Fachtagung zur Hirnforschung an der Evangelischen Akademie im Rheinland.

Der Bonner Professor wies Vorwürfe zurück, bei der Forschung mit embryonalen Stammzellen würden in großem Umfang befruchtete Eizellen verbraucht. Die Wissenschaft habe gar kein Interesse, sehr viele sogenannte Linien embryonaler Stammzellen herzustellen, sagte Brüstle. Dies sei aufgrund der anhaltenden Verwertbarkeit der bestehenden Stammzell-Linien auch nicht nötig.

In Deutschland ist es verboten, menschliche Embryonen für Forschungszwecke herzustellen oder zu zerstören. Dagegen ist die Forschung an importierten embryonalen Stammzellen unter bestimmten Umständen erlaubt. Embryonale Stammzellen werden beispielsweise aus überzähligen befruchteten Eizellen bei einer künstlichen Befruchtung gewonnen. Sie können sich in die verschiedensten Zelltypen entwickeln. Die Forschung hofft, mit diesen Zellen künftig krankes Gewebe bei Menschen zu regenerieren und eine Reihe von Krankheiten zu therapieren.

Neue Forschungsansätze erlauben laut Brüstle, auch adulte Stammzellen auf ein frühes Entwicklungsstadium zurück zu programmieren. Adulte Stammzellen finden sich unter anderem im Knochenmark oder in der Haut. Sie sind nicht mehr so wandelbar wie embryonale Stammzellen. Mit der Reprogrammierung ließen sich nun jedoch Gehirnzellen aus Hautzellen herstellen. Solche Zellen wieder in den Körper zurückzubringen, sei in Tierversuchen bereits machbar. Dadurch werde es möglich, Wirkstoffe an diesen Zellen zu erproben. „Wir machen das, um Krankheiten besser zu verstehen“, erläutert der Forscher.

Daneben gebe es nun auch einen Ansatz, Zellen direkt von einem Zelltyp in einen anderen umzuwandeln, ohne sie in ein frühes Entwicklungsstadium der Zelle zurück zu versetzen. Trotz dieser Fortschritte sei die Forschung an embryonalen Stammzellen jedoch weiter nötig. „Für die Optimierung der Zellprogrammierung sind embryonale Stammzellen als Forschungswerkzeug unverzichtbar“, betonte Brüstle.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) West , 30.1.2012

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des epd-West