Wie sollen, wie können wir mit Krankheit umgehen?

Krank zu sein ist eine grundlegende existentielle Erfahrung. Unsere Vorstellungen von Krankheit und Gesundheit sind aber darüber hinaus kulturell geformt. Damit beschäftigte die Akademie-Tagung „Leben und Leiden – Vom Umgang mit der Krankheit“ im Jahr 2012.

Hildegard von Bingen: Liber Divinorum Operum. Abbildung: Wikimedia Commons

Für jeden von uns gibt es auf den ersten Blick eine eindeutige Bewertung: Gesundheit ist erwünscht, Krankheit nicht. Krankheiten sind Einschränkungen von Lebensmöglichkeiten, ein Ausdruck eines beschädigten Körpers oder einer beschädigten Psyche.

Es gibt keine klare Trennlinie zwischen Gesundheit und Krankheit
Doch bei näherem Hinsehen lösen sich diese Gewissheiten wieder auf. „Es gibt keine trennscharfe Linie zwischen Gesundheit und Krankheit. Bei näherem Hinsehen lösen sich die Gewissheiten und Zuordnungen auf. Wo und wann beginnt eine Krankheit? Was hat als gesund zu gelten, was als krank? Krankheitsbilder unterliegen dem Zeitgeist ebenso wie der Prägung durch unterschiedliche Kulturen“, meint Dr. Frank Vogelsang.

Krankheit: elementarer Bestandteil unseres Lebens
Krankheit zeigt sich bei näherem Hinsehen als ein elementarer Bestandteil menschlichen Lebens. In welchem Verhältnis steht das Alter, stehen Behinderungen, das psychische Erleben zum Begriff der Krankheit? Und weiter: Wie stehen Krankheit und Kreativität zueinander? Viele Künstler, Dichter und Musiker waren gerade in ihrer kreativen Zeit nicht „das blühende Leben“, sondern geplagt und belastet von „Krankheiten“.

Tagung spricht kulturelle und existentielle Dimensionen von Krankheit an
Um diese kulturelle Dimension des Phänomens Krankheit ging es im ersten Teil. Die existentielle Dimension, der Einfluss von Krankheit auf den persönlichen Alltag und auf das psychische Erleben des Kranken, standen im Mittelpunkt  des zweiten Teils der interdisziplinären Tagung, die in Kooperation mit dem Institut für Philosophie an der Universität Koblenz-Landau durchgeführt wurde.

Als Referenten und Gesprächspartner waren Mediziner, Psychiater und Philosophen eingeladen. Das Verständnis von Gesundheit und Krankheit in anderen Kulturen und die persönlichen Erfahrungen der Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmer kamen ebenfalls zur Sprache.

Gesundheit und Krankheit – eine selbstverständliche Unterscheidung?
Den Eröffnungsvortrag zu „ Gesundheit und Krankheit – ein selbstverständliche Unterscheidung?“ hielt der Psychiater und Philosoph Professor Dr. Dr. Thomas Fuchs. Fuchs hat an der Universitätsklinik für allgemeine Psychiatrie in Heidelberg die Professur für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie inne. Er plädiert für einen ganzheitlichen Blick auf den Menschen und seine Leiblichkeit. Die Sicht der Lebenswissenschaften und ihr Versuch, Selbsterfahrung nur als Produkt genetischer oder neuronaler Prozesse zu erklären, reiche, so Fuchs, für ein umfassendes Verständnis nicht aus.

Krankheitsbilder im Wandel der Zeiten
In seinem Vortrag „Krankheitsbilder im Wandel der Zeiten“ griff Professor Dr. Heinz Schott, der Leiter des Medizinhistorischen Instituts der Universität Bonn, den historischen Aspekt auf.

Krankheitsbilder in unterschiedlichen Kulturen am Beispiel der islamischen Tradition
Der Arzt und Philologe Dr. med (TR) Dr. phil. Ilhan Ilkilic M.A. vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Universität Mainz hat über „Medizinethische Aspekte des muslimischen Krankheitsverständnisses in einer wertepluralen Gesellschaft” promoviert. 2006/2007 war er Leiter eines mit Mitteln der Robert Bosch Stiftung geförderten Projekts über Informations- und Beratungsangebote zur verbesserten Versorgung von Muslimen im deutschen Gesundheitswesen. Auf der Tagung stellte er „Krankheitsbilder in unterschiedlichen Kulturen am Beispiel der islamischen Tradition“ vor.

Fiebernächte. Zur Phänomenologie des Krankseins
Auf die Sicht des Kranken selbst gingen die Beiträge von Professor Dr. Christian Grüny und Professor Dr. Christian Bermes ein.   Der Philosoph Grüny lehrt an der Fakultät für Kulturreflexion an der Universität Witten/Herdecke. Zu den Forschungsthemen des Phänomenologen gehören die Erscheinungsformen von Schmerz und Gewalt. „Fiebernächte. Zur Phänomenologie des Krankseins“ war der Titel seines Vortrags.

Leben und Krankheit. Vom Umgang mit Defekten
Christian Bermes, der am Institut für Erziehungswissenschaften und Philosophie an der Universität Koblenz/Landau Philosophische Anthropologie lehrt, sprach über „Leben und Krankheit. Vom Umgang mit Defekten“.

 

Frank Vogelsang, Christian Bermes (Hg.): Leben und Leiden, 2012

Tagungsdokumentation in der Reihe „Begegnungen“

Frank Vogelsang, Christian Bermes (Hg.):
Leben und Leiden
Vom Umgang mit der Krankheit
Dokumentation der Tagung 3/2012
(= Begegnungen 33)
Bonn 2012
ISBN 978-3-937621-41-8
12,00 Euro

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